© UNICEF/UNI704243/YacoubianEin kleines Kind hält ein gemaltes Bild in die Kamera
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Leiter für humanitäre Einsätze in Syrien: "Wir haben das Schlimmste erwartet"

Syrien
von Autorin Carla Giuseppina Magnanimo

Ghaith (oben im Bild) sitzt an einem kleinen grünen Tisch und malt. Der Sechsjährige kommt oft her, in ein Kinderschutzzentrum in Aleppo, das von UNICEF unterstützt wird. Vor den Bomben hätte er keine Angst gehabt, erzählt er. "Ich komme gern hierher, um zu malen. Ich möchte mal Künstler werden, wenn ich groß bin." 7,5 Millionen Kinder sind in Syrien zurzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen. Ghaith ist einer von ihnen.

Matteo Frontini, Leiter humanitärer Einsätze bei UNICEF ist seit über einem Jahr in Syrien. Er und seine Teams sehen täglich, welchen Einfluss der Krieg auf die Menschen im Land hatte: "Vor allem die Kinder hier sind von 14 Jahren Krieg stark traumatisiert und wir brauchen unbedingt internationale Aufmerksamkeit, damit wir weiterhin die Möglichkeit haben auf diese Bedürfnisse einzugehen."

Ein von UNICEF unterstützter Ort bringt bedeutende Veränderungen

Die Erinnerungen an den Krieg sitzen bei allen tief, eine ganze Generation muss seelisch aufgefangen werden. UNICEF führt spezifische Projekte durch, wie das kinderfreundliche Zentrum in Aleppo, in das Ghaith so gern zum Malen geht. Hier lernen die Kinder ihre Gefühle auszudrücken und das, was sie erlebt haben, zu verarbeiten. Auch Eltern erhalten Unterstützung, lernen wie sie ihren Kindern helfen können und was diese jetzt ganz besonders brauchen.

Was passierte zuletzt in Syrien?

Anfang Dezember 2024 starrte die ganze Welt für kurze Zeit gebannt nach Syrien: Rebellengruppen nahmen die Städte Aleppo, Homs und Damaskus ein, der damalige Machthaber Baschar al-Assad floh nach Russland. Auf den Straßen brachen Menschen in Jubel und Freudentränen aus – Syrien, endlich befreit und sicher?
Frontini zögert: "Ich denke, in jedem historischen Moment und einem großen politischen Wandel braucht es Zeit für Stabilisation. Es gibt Hoffnung, aber wir müssen realistisch sein."

Das Schlimmste wurde erwartet – doch es gab eine positive Überraschung

Frontini und sein Team erlebten den Machtwechsel hautnah mit: "Für uns kam es überraschend. Wir haben natürlich die Nachrichten verfolgt und gesehen, wie die jetzige Übergangsregierung immer näher rückte, erst nach Aleppo, dann Hama und Homs und schließlich Damaskus“, berichtet er. "Wir haben das Schlimmste erwartet." Nach all den Jahren Krieg ist Skepsis eine durchaus verständliche Reaktion.

Aber Frontini wurde überrascht – und das im positiven: "Wir haben zurzeit deutlich mehr Zugang zu Bereichen, die uns vorher verwehrt wurden. Das macht unsere Arbeit um vieles leichter." Derzeit würden sie gemeinsam mit der Übergangsregierung zusammenarbeiten, um die Sicherheit und Versorgung der Gemeinden zu gewährleisten. Vorsichtig bleibt Frontini trotzdem: "Es sind zwar alle erleichtert, doch es gibt auch eine große Unsicherheit gegenüber dem, was jetzt kommt."

Wie steht es nun um Syrien?

Das Land steht vor einer großen Herausforderung. Laut den Vereinten Nationen sind 16,7 der ca. 24 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die wirtschaftliche Situation ist schwierig, fast 85 Prozent der Familien kommen kaum über die Runden. Eine der Folgen: Rund 650.000 syrische Kinder leiden an chronischer Mangelernährung.

Ein großer Teil des Landes liegt in Trümmern, Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, Kranke und Verletzte nicht in Gesundheitseinrichtungen. Fast die Hälfte aller Gesundheitszentren wurden seit Beginn des Krieges zerstört. Mehr als 7,2 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes vertrieben.

"Ich persönlich sehe Syrien als ein unglaubliches Land mit vielen Möglichkeiten", sagt Frontini. "UNICEF ist seit 1970 in Syrien aktiv und unterstützt Kinder, besonders im Bereich Impfungen, Ernährung, Bildung und Kinderschutz. Wir sehen täglich, was wir hier aufgebaut haben und was nun von zivilgesellschaftlichen Institutionen weitergeführt wird. Wenn wir es gemeinsam angehen, können wir viel schaffen."

Mehr Aufmerksamkeit für Syrien

Doch nachdem im Dezember die Aufmerksamkeit für Syrien vermutlich ihren Höhepunkt erreicht hatte, ebbt diese nun langsam wieder ab. Zu viele Krisen passieren auf einmal. Das weiß auch Frontini: "Wir sind zurzeit mit einer globalen Krise konfrontiert, auf der ganzen Welt gibt es schwere Konflikte, viele Länder brauchen Aufmerksamkeit. Aber ich denke auch, das eine sollte das andere nicht kleinmachen. Die Bedürfnisse sind enorm und wir müssen schnell reagieren."

UNICEF beobachtet die Situation in Syrien genau und leistet weiterhin Hilfe vor Ort. Sie versorgen die Menschen mit Hilfspaketen, sorgen dafür, dass Vertriebenencamps mit sauberem Trinkwasser ausgestattet werden, helfen Kindern auf dem Weg zurück in die Schule und unterstützt mobile Kliniken mit Medikamenten und medizinischem Equipment.

Carla Giuseppina Magnanimo
Autor: Carla Giuseppina Magnanimo

Online Editor
Stiftung United Internet for UNICEF