Heuschreckenplage in Ostafrika
Die verheerenden Folgen der Insekten-Invasion

So klein und unscheinbar und doch so existenzbedrohend: die Wüstenheuschrecke.
© UNICEF/UNI296470/PrinslooSie verputzen gnadenlos die Ernte der Bauern und der Bevölkerung: Am Horn von Afrika wird eine Plage durch Wüstenheuschrecken zu einer Nahrungskatastrophe für Millionen von Menschen. Seit Anfang des Jahres fressen Abertausende Heuschrecken in wenigen Sekunden ganze Äcker und Weiden kahl. Sie werden damit für viele Ost-Afrikaner zu einer größeren Bedrohung als die Corona-Pandemie.
Die Heuschrecken ernten, was die Bauern säen
Seit Anfang des Jahres kämpfen vor allem die Bauern in Äthiopien, Kenia, Somalia, Tansania, Uganda, Sudan und Südsudan gegen hunderte von Millionen kleiner, hektisch umherschwirrender Tierchen, die in Sekundenschnelle komplette Ernten verschlingen und sich unbeirrt und unaufhaltsam fortbewegen und vermehren.
Die Lage ist nach wie vor äußerst alarmierend, denn neue Heuschreckenschwärme haben sich in Äthiopien, Kenia und Somalia gebildet. Wüstenheuschrecken gehören zu den bedrohlichsten Insekten der Welt: Sie können am Tag bis zu 150 Kilometer zurücklegen und vermehren sich über Larven unglaublich schnell. Das führt in den ohnehin schon stark ernährungsunsicheren Regionen im Osten Afrikas zu noch mehr Hunger und noch mehr Armut.
Ein Heuschrecken-Schwarm kann an einem Tag die gleiche Menge an Nahrung aufnehmen wie etwa 35.000 Menschen…
Die Kinder in Ostafrika leiden aus vielen Gründen
Für die Familien und Kinder im Osten Afrikas sind es besonders harte Zeiten. Sie kämpfen gegen die schlimmste Wüstenheuschrecken-Invasion, die die Region seit mehr als 25 Jahren heimgesucht hat. Hinzu kommen Dürreperioden, verheerende Überschwemmungen und obendrauf noch die Corona-Krise, die Gesundheits- und Bildungssysteme lähmt.
Über 25 Millionen Menschen sind laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in der Region von Nahrungsmittelknappheit betroffen. Zu den Verlusten der landwirtschaftlichen Ernte, die die Lebensgrundlage für viele Menschen bildet, kommen noch die Weideverluste für viele Viehhirten hinzu. Die Preise für Lebensmittel und Tierfutter sind stark gestiegen. Landwirte und ihre Familien stehen vor einer Katastrophe.
Die Heuschreckenschwärme breiten sich aus
Die Heuschrecken breiten sich immer weiter aus: Jetzt tauchten die Schwärme auch außerhalb des afrikanischen Kontinents auf und erreichten Südasien. Einige der Schwärme gelangten im Juli und im August nach Indien und Pakistan. Südasien erlebt bereits jetzt die schlimmste Plage seit Jahrzehnten: Die nepalesische Regierung bietet Landwirten sogar eine Geldprämie für den Fang von Wüstenheuschrecken, die in das Himalaya-Land eindringen. Die Prämie soll ein Anreiz sein, aktiv zu werden und die Schäden möglichst zu begrenzen.

Heuschreckenplage in Pakistan: Bauern vertreiben die Heuschrecken - vergeblich.
© UNICEF/UNI352825/Ali/AFPRegenfälle und Überschwemmungen erschweren den Kampf
Schwere Regenfälle haben in Ostafrika zwischen März und Mai zu überlaufenden Flüssen, Seen und Schlammlawinen geführt. Damit nicht genug, begünstigt der viele Regen die Vegetation und bietet somit den idealen Nährboden für die nächste Generation tödlicher Wüstenheuschrecken.
Aufgrund der Überschwemmungen wurden in Kenia Hunderttausende Menschen aus ihren Häusern vertrieben. In Äthiopien haben mehr als 300.000 Menschen ihr Zuhause verloren – in Somalia sogar mehr als 900.000 Menschen. Unter diesen Umständen ist es schwer für die Menschen, sich vor dem Coronavirus zu schützen. Sie können nicht zu Hause bleiben, weil sie kein Zuhause mehr haben, weil die eigene Wohnung weggespült worden ist.
Die Corona-Krise erschwert die Bekämpfung der Heuschrecken zusätzlich
Um gegen die Heuschrecken-Plage vorzugehen, ist die Bekämpfung der Heuschrecken und ihrer Larven mit Insektiziden aus der Luft das einzig wirksame Mittel.
Die Auswirkungen von Covid-19 machen sich jedoch auch bei der Bekämpfung bemerkbar: Es gibt Schwierigkeiten bei den Lieferketten für Insektizide und Pestizide und auch der Einsatz von Hilfskräften stockt. Die Regierungen und verschiedene Hilfsorganisationen wie die Welternährungsorganisation und UNICEF tun alles in ihrer Macht stehende, um eine Nahrungskatastrophe abzuwenden. Sowohl um die Ausbreitung der Heuschreckenschwärme zu stoppen, als auch zur Unterstützung der Lebensgrundlagen der Menschen sind dringend finanzielle Mittel erforderlich.
Ernteausfälle durch Heuschreckenplage
Tausende Kinder in Ostafrika haben nicht genug zu essen
Unsere UNICEF-Kollegen in Äthiopien sehen bereits eine bittere Tendenz: Familien und Kinder aus den Gemeinden, die in den von den Wüstenheuschrecken heimgesuchten Gebieten leben, sind stärker von Unterernährung betroffen. Allein in Äthiopien hat die Heuschreckeninvasion 50 Prozent der verfügbaren Weideflächen in den am schlimmsten betroffenen Gebieten seit Beginn der Plage vernichtet.
Schwere akute Mangelernährung ist eine der verheerendsten Folgeerscheinungen für viele Kinder in Ostafrika. UNICEF geht davon aus, dass die Zahl der Kinder in Äthiopien, die dieses Jahr wegen Mangelernährung behandelt werden müssen, um 24 Prozent und somit auf 570.000 Kinder ansteigen wird.
Außerdem fehlt etwa einer Million Kinder aus den ärmsten Familien durch die Schulschließungen aufgrund von Corona-Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen eine feste Mittagsmahlzeit, die oft die einzige Nahrungsquelle darstellt. Allein in Addis Abeba fehlt diese Mahlzeit seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie einer halben Million Kinder.
Weitere Informationen zur Heuschreckenplage finden Sie auf der englischsprachigen Seite Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).

Katharina Kesper ist Chefin vom Dienst bei UNICEF und bloggt über kraftvolle Geschichten von Kindern, über die Arbeit der Organisation auf der ganzen Welt, über UNICEF-Helfer*innen und besondere Begegnungen.