Doppelte Krisensituation für Kinder im zentralen Sahel
Seit Wochen erleben wir in Deutschland und weltweit aufgrund der Covid-19-Pandemie eine Krise unbekannten Ausmaßes. Neben gesundheitlichen und sozioökonomischen Auswirkungen der Krise gibt es auch verheerende Auswirkungen für den Bildungsbereich. Auch wenn in Deutschland die Schulen langsam wieder öffnen, können weltweit noch über 1,2 Milliarden Lernende derzeit nicht zur Schule gehen.
Doch was bedeutet die COVID-19-Pandemie für die 75 Millionen Kinder und Jugendlichen, die schon vor der Pandemie aufgrund von Konflikten und Krisen, entweder einem hohen Risiko ausgesetzt waren, keinen Zugang zu Bildung zu haben oder bereits keinen Zugang hatten? Und was, wenn unklar ist, ob Schulen wieder öffnen oder ihnen durch die Pandemie die Hoffnung genommen wird, überhaupt jemals zur Schule zu gehen?
Gerade für Kinder in Krisen- und Konfliktregionen ist Schule weitaus mehr als für viele Gleichaltrige in wohlhabenden Gesellschaften: Die Schule ist für diese Kinder ein Ort, wo sie ihre wichtigste Mahlzeit einnehmen, sie Zugang zu sauberem Wasser haben, sie wichtige Informationen über Hygiene erhalten, sie an Gesundheitsprogrammen teilnehmen können und spezielle Unterstützung oder Schutz erhalten. Ein Ort zum Lernen und somit die Chance auf eine Zukunft. Ein Ort inmitten des Konflikts oder einer Krise, an dem ein wenig Normalität und Kindheit möglich ist.

Aufgrund von Unsicherheiten in Burkina Faso kann die 15-jährige Latifatou ihre Schule nicht weiter besuchen.
© UNICEF/UNI280371/TremeauDer zentrale Sahel: Bereits vor COVID-19 eine Bildungskrise
Eine Konfliktregion, die vor großen Herausforderungen steht, ist der zentrale Sahel, zu dem Burkina Faso, Mali und Niger gehören. Eine Region, die durch Konflikte, zunehmende Unsicherheiten und eine hohe Anfälligkeit für die Folgen des Klimawandels geprägt ist.
Die Zahl der Kinder, die aufgrund der Unsicherheiten aus ihrer Heimat fliehen mussten, hat sich in der Region innerhalb eines Jahres insgesamt verdoppelt und lag Ende letzten Jahres bei 670.000. Allein in Burkina Faso hat sich die Anzahl sogar verfünffacht. Bereits ohne Berücksichtigung der Folgen von COVID-19 schätzt UNICEF, dass dieses Jahr fast fünf Millionen Kinder im zentralen Sahel auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden.
Die Bildungssituation in der Region war bereits vor COVID-19 alarmierend: In Burkina Faso, Mali und Niger konnten Ende 2019 mehr als die Hälfte der 8- bis 14-jährigen Kinder nicht zur Schule gehen. In fast drei Jahren ist die Zahl der Schulschließungen in den drei Ländern von insgesamt 500 auf fast 3.500 angestiegen.

Nur 20 Prozent aller Schüler und Schülerinnen in Niger schließen die Sekundarstufe I ab.
© UNICEF/UN0317996/Frank DejonghDie Bildungskrise verschärft sich durch COVID-19
Durch COVID-19 verfestigt und verschlimmert sich diese katastrophale Tendenz noch. Fragile Bildungssysteme werden weiter erschüttert. Das Ausmaß und die Folgen sind noch nicht abzuschätzen.
Fest steht, dass diesen Kindern nicht nur der Zugang zu Bildung und damit zu möglichen Zukunftschancen fehlt, sondern auch der Zugang zu Gesundheitsprogrammen, psychosozialer Unterstützung, sauberem Wasser und Verpflegung.
Hinzukommt, dass Kinder ohne die Möglichkeit zur Schule zu gehen, einem höheren Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Gewalt, Missbrauch und Frühverheiratung zu werden, früh schwanger zu werden oder schon in jungen Jahren arbeiten zu müssen.
Bestehende Ungleichheiten können sich verschärfen, beispielsweise, wenn bereits vulnerable Gruppen Hilfsangebote nicht wahrnehmen können. Der Zugang zu Bildung ist gerade in Krisen- und Konfliktregionen wie im zentralen Sahel für Kinder überlebenswichtig.

Hussaini (14 Jahre) lernt über Bildungsprogramme per Radio, weil seine Schule im Norden Burkina Fasos bei Angriffen zerstört wurde.
© UNICEF/UN0335956/BindraUnited Internet for UNICEF unterstützt die Bildungsprojekte mit Ihren Spenden
UNICEF arbeitet mit Regierungen zusammen und unterstützt sie in der Krisenbewältigung und Notfallplanung im Bildungsbereich und bei der Vorbereitung auf Schulschließungen und -öffnungen. UNICEF versorgt Schulen mit Hygienematerialien und Informationen zu Hygienemaßnahmen, um sie zu sicheren Orten zu machen.
Damit das Lernen auch bei Schulschließungen fortgesetzt werden kann, hat UNICEF innovative Formate für den Fernunterricht und pädagogische Angebote für das Lernen am PC sowie über das Radio, Fernsehen und andere Plattformen entwickelt und setzt diese in einer Vielzahl von Ländern um.